So nutzt ihr leidige ESG-Pflichten für wirtschaftlichen Erfolg

Shownotes

ESG ist gekommen, um zu bleiben. Das ist kein Grund zum Verzweifeln, sondern birgt Chancen für Unternehmen, die sich auszahlen. Warum und wie erfahrt ihr in dieser Folge "So klingt Wirtschaft".

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Simon Fahrenholz: Simon Fahrenholz Es gibt diesen allgemeinen Satz: „Der Kunde, wer auch immer der Kunde sein soll, ist bereit, für ein nachhaltiges Produkt mehr zu bezahlen.“ Das ist am Ende so nicht richtig. Aber es gibt sicher ein Segment, bei dem das zutrifft. Dieses Segment muss ich sauber herausarbeiten, dessen Bedarfsanforderungen präzise ableiten und daraufhin einen Maßnahmenkatalog erstellen. Der gigantische Schatz an Daten, der dabei entsteht, lässt sich gezielt für die Unternehmenssteuerung sowie zur Ableitung von Maßnahmen und Investitionen nutzen.

Einspieler: Einspieler So klingt Wirtschaft. Zukunftsthemen für Unternehmen. Jeden Mittwoch sprechen wir mit Entscheider:innen über die Herausforderungen und Trends ihrer Branche. Mit jeder Menge Insights und neuen Denkanstößen – aus der Wirtschaft für die Wirtschaft.

Simone Nissen: Simone Nissen ESG – dieser Begriff steht in den meisten Unternehmen gerade für komplizierte Vorschriften und lästige Berichterstattung. Verständlich, aber auch schade. Denn Nachhaltigkeitsbemühungen bergen große Chancen für wirtschaftlichen Erfolg. In So klingt Wirtschaft wollen wir uns deshalb die andere Seite von ESG anschauen. Nachgehakt Wie sehen die finanziellen Chancen genau aus, die sich aus den Kriterien für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung ergeben? Und was ist konkret zu tun, um sie zu nutzen? Darüber spreche ich mit meinem heutigen Gast. Er ist Partner und Leiter der Nachhaltigkeitsberatung bei EY und sagt: „Regulierung ist gekommen, um zu bleiben. Jetzt liegt es an uns, daraus einen wirtschaftlichen Mehrwert zu generieren.“ Ich bin Simone Nissen und sage herzlich willkommen, Simon Fahrenholz.

Simon Fahrenholz: Simon Fahrenholz Vielen Dank. Ich freue mich, hier zu sein.

Simone Nissen: Simone Nissen Akzeptanz gilt in der Psychologie als Schlüssel zum Wohlbefinden. Gilt das also auch für die lästigen ESG-Pflichten?

Simon Fahrenholz: Simon Fahrenholz Wohlbefinden vielleicht nicht unbedingt, aber ESG ist definitiv gekommen, um zu bleiben. Es halten sich hartnäckig die Gerüchte: „Wird die neue EU-Kommission etwas verzögern? Wird da etwas zurückgenommen?“ Unsere Einschätzung dazu: grundsätzlich nein. Diese Hoffnung, dass es vielleicht weniger streng wird, wird sich aus unserer Sicht nicht materialisieren. Deshalb sagen wir immer: Wenn ESG gekommen ist, um zu bleiben, dann macht es aus meiner Sicht viel Sinn, darauf zu schauen und zu überlegen: Was mache ich sinnvoll damit?

Simone Nissen: Simone Nissen Und was ist das deiner Meinung nach?

Simon Fahrenholz: Simon Fahrenholz Die Frage ist: Wie schaue ich darauf? Ich könnte sagen: Das gute Pferd springt nur so hoch, wie es muss. Das ist nicht unbedingt eine Auszeichnung, sondern bedeutet lediglich, dass ich die Reporting-Anforderungen erfülle, sodass mein Jahresabschlussprüfer am Ende sagt: „Das ist in Ordnung und ich unterschreibe das.“ Dann habe ich viel Zeit und möglicherweise viel Geld investiert, um einen Lastenkatalog abzuarbeiten. Oder ich schaue durch eine andere Brille darauf und sehe die vielen Daten, die dabei entstehen – Daten aus ganz unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens. Niemand hat allein alle ESG-Daten im Unternehmen, sondern es betrifft die gesamte Organisation. Dadurch lerne ich viel über mein Unternehmen, und Kolleg lernen voneinander. Der gigantische Schatz an Daten lässt sich gezielt nutzen: für Unternehmenssteuerung, Maßnahmenableitung, Investitionsentscheidungen und mehr. Die Frage ist, ob man diesen Mehrwert erkennt und sinnvoll nutzt.

Simone Nissen: Simone Nissen Okay, also ich sollte meinen Blick abwenden von: Was macht die EU da? Was kommt, was kommt vielleicht nicht? Hin zu: Was mache ich jetzt damit? Wie gehe ich mit den Daten um? Wie wird aus den vielen, vielen Daten, die irgendwo im Unternehmen kursieren und zusammengetragen werden, tatsächlich der Schatz, von dem du sprichst?

Simon Fahrenholz: Simon Fahrenholz Eine sehr gute Frage! Häufig wird das mit dem Ansatz verwechselt: „Jetzt müssen wir erst einmal wahnsinnig viel Geld ausgeben für teure Software.“ Das würde ich pauschal nicht so sagen. Es gibt keine eine richtige Lösung für alle Unternehmen. Grundsätzlich geht es um Strukturierung, Verhältnisbildung und Steuerung – also um die berühmten KPIs. In welcher Form das geschieht, ist zweitrangig. Ob riesige Softwarelösungen, kleine digitale Helferlein, selbstentwickelte Tools oder Excel – alles ist möglich. Wichtig ist: Man darf nicht nur die Daten sammeln und darauf sitzen bleiben. Es geht darum, diese Daten sinnvoll zu gruppieren, Vergleichszahlen zu bilden und Relationen zu entwickeln, die es erlauben, die Produktionseffizienz zu verbessern, Fortschrittsmessungen intelligenter zu gestalten und letztlich mehr zu tun, als die Daten lediglich zu reporten.

Simone Nissen: Simone Nissen Kannst du mir ein konkretes Beispiel nennen?

Simon Fahrenholz: Simon Fahrenholz Ein klassisches Beispiel ist die Verbindung von Produktionsmengen und energiewirtschaftlichen Daten. Wenn sich der Energiebedarf in der Produktion verändert, ist die Frage: Liegt das an einer gestiegenen Produktionsmenge, oder gibt es andere Ursachen, die vielleicht nicht sofort ersichtlich sind? Beispielsweise könnte eine Maschine an Effizienz verlieren. Identifiziere ich das schnell, kann ich die Probleme effizient beheben, bevor unnötig Energie verschwendet wird. Das spart Energiekosten und verbessert die Nachhaltigkeit.

Simone Nissen: Simone Nissen Das ist schon mal ein schönes Beispiel. Hast du auch eines, das nicht direkt im Bereich Energie liegt, sondern vielleicht andere Kriterien betrifft?

Simon Fahrenholz: Simon Fahrenholz Auch hier lohnt sich ein Blick in die Regulatorien. In Europa – insbesondere in Deutschland – haben CO2-Emissionen einen Preis. Das nationale Emissionshandelssystem in Deutschland, das europäische ETS (Emissions Trading System) oder zukünftig der sogenannte CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism), also eine Art CO2-Zoll für Importe in die EU, sind konkrete Beispiele. Durch die Reporting-Pflichten sammle ich emissionsbezogene Daten in einer sehr granularen Form. Dann ist es wirtschaftlich sinnvoll, sich zu fragen: Wo lassen sich Emissionen einfach vermeiden, um Kosten zu sparen? Das ist eine Maßnahme, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch Mehrwert bietet.

Simone Nissen: Simone Nissen Wo liegen weitere wirtschaftliche Potenziale?

Simon Fahrenholz: Simon Fahrenholz Das Feld ist riesig. Es gibt den allgemeinen Satz: „Der Kunde ist bereit, für ein nachhaltiges Produkt mehr zu bezahlen.“ Das ist schlicht falsch. Richtig ist: Kund in bestimmten Branchen, bei bestimmten Produkten und mit einem bestimmten Einkommen sind bereit, mehr zu zahlen. Der Kunde kann ein Einzelverbraucher, aber auch ein Automobilhersteller oder Maschinenbauer sein. Der Schlüssel liegt darin, die Dynamik der Branche zu verstehen, Kundengruppen sinnvoll zu segmentieren und Produkte sowie Produktionsverfahren bedarfsgerecht auszurichten. Es ist ein Fehler zu glauben, dass alle Kund automatisch bereit sind, für Nachhaltigkeit mehr zu zahlen. Stattdessen muss ich gezielt analysieren und ableiten, welche Maßnahmen für mein Unternehmen und meine Kundschaft sinnvoll sind.

Simone Nissen: Simone Nissen Glaubst du, dass jedes Unternehmen dieses Kundensegment hat?

Simon Fahrenholz: Simon Fahrenholz Im Grunde genommen ja. Wenn ich den Querschnitt meiner Klient anschaue – vom Steinbruch bis zum Hochtechnologieunternehmen –, lässt sich dieser Werthebel überall identifizieren. Die Maßnahmen unterscheiden sich natürlich erheblich und müssen individuell angepasst werden. Aber es lohnt sich in jedem Fall, diesen Werthebel herauszuarbeiten, auch wenn der adressierbare Markt manchmal klein ist. Zielgerichtetes Vorgehen schafft unternehmerischen Mehrwert und vermeidet ineffiziente Maßnahmen.

Simone Nissen: Simone Nissen Jetzt ist Energie ein großes Thema und auch im Bewusstsein der Kund präsent. Wie sieht es mit sozialen oder Governance-Themen aus? Gibt es dort ebenfalls Potenziale?

Simon Fahrenholz: Simon Fahrenholz Absolut. Hier ist wichtig: Europa ist nicht die Welt. Während Umweltfragen in Europa und Afrika dominieren, spielen in Nord- und Südamerika soziale Themen eine größere Rolle, und in Asien stehen Soziales und Governance im Vordergrund. Das bedeutet, dass Emissionseinsparung eine europäische Priorität ist, aber nicht weltweit. Im sozialen Bereich können Unternehmen zum Beispiel durch Maßnahmen für Mitarbeitende, Talentgewinnung, Markenpositionierung oder gesellschaftliche Akzeptanz einen Mehrwert schaffen. Besonders in außereuropäischen Ländern sind Investitionen in lokale Gemeinschaften ein riesiger Hebel für Reputation und langfristigen Erfolg.

Simone Nissen: Simone Nissen Wie sieht es mit Branchen aus, die von Natur aus wenig nachhaltig wirken – zum Beispiel der Rohstoffabbau?

Simon Fahrenholz: Simon Fahrenholz Es gibt Branchen, bei denen das Produkt oder der Prozess per se nicht nachhaltig ist. Wenn ich seltene Erden abbauen muss, bleibt das unvermeidlich. Dennoch kann ich im sozialen und governancebezogenen Umfeld Maßnahmen ergreifen. Etwa durch Investitionen in die Lebensqualität der umliegenden Gemeinden oder durch Renaturierungsprojekte. Wichtig ist: Was ist sinnvoll? Es gibt kein Pauschalrezept. Unternehmen müssen individuell bewerten, welche Maßnahmen den größten Effekt haben.

Simone Nissen: Simone Nissen Wie finde ich heraus, was sinnvoll ist?

Simon Fahrenholz: Simon Fahrenholz Der Schlüssel liegt in der Fokussierung. Viele Unternehmen starten unzählige Initiativen – oft ohne klare Zielsetzung. Das führt dazu, dass viele Maßnahmen nicht ins Ziel kommen. Ich empfehle: Entwickelt ein klares Narrativ. Wollt ihr Vorreiter im Klimaschutz sein? Ein besonders sozialer Arbeitgeber? Definiert eure Schwerpunkte und leitet passende Maßnahmen ab, die realistisch und umsetzbar sind. Qualität vor Quantität.

Simone Nissen: Simone Nissen Welche Rolle spielen die Daten dabei? Können sie mir die Richtung vorgeben?

Simon Fahrenholz: Simon Fahrenholz Unbedingt. Daten verraten, wo der Fokus liegen sollte. Unternehmen mit geringem CO2-Fußabdruck sollten beispielsweise keine Klimainitiativen ins Zentrum stellen, sondern sich auf soziale oder andere Themen konzentrieren. Es gibt zahlreiche Dimensionen, die sinnvoll sein können. Ein Blick auf die Daten und ein Branchen-Benchmark helfen dabei, die richtigen Schwerpunkte zu setzen.

Simone Nissen: Simone Nissen Du hast angesprochen, dass sich manche Projekte verwaschen. Was sind typische Herausforderungen, die zu diesem Phänomen führen?

Simon Fahrenholz: Simon Fahrenholz Ich bin grundsätzlich ein Fan davon, Verantwortung lokal in Unternehmensgruppen oder Konzernen zu belassen. Aber bei größeren Nachhaltigkeitsinitiativen führt das oft dazu, dass jedes Werk oder jede Abteilung eigene kleine Projekte aufsetzt – mit kleinen Budgets und begrenzten Ressourcen. Diese Projekte starten mit Enthusiasmus, geraten aber schnell in den Hintergrund, weil das Tagesgeschäft Priorität hat. Deshalb plädiere ich dafür, dass die Unternehmensleitung einige wenige zentrale Initiativen definiert, diese über die gesamte Gruppe ausrollt, ausreichend finanziert und klare Verantwortlichkeiten festlegt. Es braucht auch ein entsprechendes Organisationsmodell, damit Projekte durchdacht gesteuert und konsequent umgesetzt werden.

Simone Nissen: Simone Nissen Und jetzt der Gedanke zum Mitnehmen. Was möchtest du unseren Zuhörenden zum Abschluss mit auf den Weg geben?

Simon Fahrenholz: Simon Fahrenholz Weniger ist mehr – aber dafür richtig. Entwickelt Maßnahmen, die zu den Fähigkeiten eures Unternehmens passen. Die beste Idee, die beste Strategie bringt nichts, wenn sie nicht umsetzbar ist. Baut auf euren Stärken auf, entwickelt Initiativen, die eure DNA widerspiegeln, und begeistert eure Mitarbeitenden für diese Maßnahmen. Nur so erreichen Projekte die Ziellinie und schaffen eine glaubwürdige Positionierung.

Simone Nissen: Simone Nissen Wunderbar, vielen Dank, Simon. Und euch, liebe Zuhörende: Danke fürs Einschalten. Es wäre toll, wenn ihr auch nächsten Mittwoch wieder dabei seid, wenn es heißt: So klingt Wirtschaft.

Einspieler: Einspieler So klingt Wirtschaft. Haben Sie Fragen, Kritik oder Anmerkungen? Dann schreiben Sie uns gerne an podcast@handelsblattgroup.com. Gefällt Ihnen, was Sie hören? Bewerten Sie uns auf Spotify oder Apple Podcasts. _Dieser Podcast ist kein Produkt der Handelsblatt-Redaktion. Für den Inhalt sind die Interviewpartner*innen und die Handelsblatt Media Group Solutions verantwortlich._

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