Greenwashing-Vorwürfe vermeiden – Nachhaltigkeit überzeugend kommunizieren

Shownotes

Schweigen ist die schlechteste Idee. Wie Transparenz und authentische Kommunikation helfen, erfolgreich mit Green Claims zu werben und Vertrauen zu schaffen.

Die Studie gibt es hier: https://www.capgemini.com/de-de/insights/research/sustainability-trends-2024/

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Julia Müller: Dieses Phänomen Greenwashing schadet der eigenen Wirtschaftlichkeit und und auch der nachhaltigen Transformation in Summe. Und der beste Weg ist eben, dass man eine gute Basis für solide Green Claims schafft.

Einspieler: So klingt Wirtschaft. Zukunftsthemen für Unternehmen. Jeden Mittwoch sprechen wir mit Entscheiderinnen über die Herausforderungen und Trends in ihrer Branche. Mit jeder Menge Insights und neuen Denkanstößen aus der Wirtschaft für die Wirtschaft.

Simone Nissen: Tue Gutes und rede darüber. Was Nachhaltigkeitsbemühungen angeht, fällt das Unternehmen immer schwerer. Denn das Misstrauen der Gesellschaft wächst. Wie alarmierend die Situation ist, zeigt die Kap Gemini Studie World in Balance. Der Anteil derjenigen, die Unternehmen Greenwashing bei ihren Nachhaltigkeitsmaßnahmen vorwerfen, ist innerhalb von nur einem Jahr von rund 30 auf über 50 % angestiegen. Nachgehakt Wie entsteht der Vorwurf? Wie können Unternehmen ihm begegnen? Und was sind dabei die Herausforderungen? Ich bin Simone Nissen und diese Fragen beantwortet mir heute Julia Müller. Sie ist Head of Sustainable Futures des Beratungsunternehmens Capgemini Invent in Deutschland und hat an der Studie mitgearbeitet. Hallo Julia.

Julia Müller: Hallo Simone, schön, dass ich hier sein darf.

Simone Nissen: Fangen wir mal mit etwas Gutem an Eure Untersuchungen zeigen auch einen positiven Trend, nämlich, dass Unternehmen in letzter Zeit deutliche Fortschritte mit ihren Nachhaltigkeitsmaßnahmen erzielt haben. Wie kommt es dann, dass dem ein wachsender Greenwashing Vorwurf entgegensteht?

Julia Müller: Ja, also Begriffe wie klimaneutral, klimafreundlich, Klima, positiv, grün etc. Diese werden gerne inflationär als Marketinginstrument genutzt, ohne tatsächlich vorher zu prüfen, ob das denn tatsächlich so nachhaltig ist. Und da ergeben sich Fälle von Verbrauchertäuschung und in Summe steigt die Skepsis. Für mich bietet Nachhaltigkeit für Unternehmen einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil. Nur leider reizen einige Unternehmen dies aus. Mithin zu überreizen ist und das macht es dann für Verbraucherinnen schwierig, zwischen echten, nachhaltigen Ansätzen im Sinne zum Beispiel der Kreislaufwirtschaft oder aber einem reinen Marketing zu unterscheiden.

Simone Nissen: Wozu führt das, wenn Unternehmen jetzt schon wissen, dass die Menschen ihn mit großem Misstrauen begegnen?

Julia Müller: Unternehmen tendieren jetzt dazu, auch mit mehr Vorsicht zu kommunizieren. Und so gibt es das Phänomen Greenwashing, das heißt das aus Scheu vor öffentlicher Kritik bewusst nicht mehr über Nachhaltigkeitsambitionen und ziele gesprochen wird und und das führt dann dazu, dass teilweise auf Wettbewerbsvorteile verzichtet wird, aus Angst, dass man etwas Falsches kommunizieren könnte. Und diese Verheimlichung von umweltbezogenen Informationen kann eben dann auch den Effekt verstärken, dass die Skepsis der Verbraucherinnen weiter steigt.

Simone Nissen: Ein klassischer Teufelskreis also Wie kommen wir da wieder raus?

Julia Müller: Deswegen ist es umso wichtiger, dass Unternehmen ehrlich zu sich selbst sind und Produkte oder Dienstleistungen tatsächlich nachhaltig gestalten und dann aber auch den Mut aufbringen, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen authentisch und transparent zu kommunizieren und dann dadurch im Wettbewerb auch andere Unternehmen mit motivieren, sich eben in Sachen Nachhaltigkeit mehr anzustrengen. Also das Thema Nachhaltigkeit hat gesellschaftlich an Ernsthaftigkeit gewonnen und und ist eben mitunter auch emotional aufgeladen. Und Unternehmen können nur also meines Erachtens nur durch Authentizität und Belegbarkeit das Vertrauen der Verbraucher am Ende gewinnen oder auch halten.

Simone Nissen: Nehmen wir jetzt einfach mal ein Beispiel Unternehmen, das möchte nachhaltiger arbeiten und möchte das auch guten Gewissens kommunizieren können. Was sind so die ersten Schritte?

Julia Müller: Ja, also Nachhaltigkeit muss im Grunde im Kern des Unternehmens verankert sein. Also angefangen bei der Geschäftsführung, beim Leadership. Denn in der Tat erkennen auch immer mehr Führungskräfte die Gefahren von Greenwashing. Also die Studie, die du vorhin schon zitiert hast A World in Balance. Danach ist es eben auch so, dass 62 % der Führungskräfte besorgt sind, dass Verbraucherinnen die Nachhaltigkeitsinitiativen des Unternehmens als als Greenwashing ansehen könnten. Und das waren im Vorjahr nur 11 %. Also dieses Phänomen Greenwashing schadet der eigenen Wirtschaftlichkeit und und auch der nachhaltigen Transformation in Summe. Und der beste Weg ist eben, dass man eine gute Basis für solide Green Claims schafft. Und das kann man über Transparenz, Quantifizierung, verbraucherfreundliche Kommunikation und Zertifizierung.

Simone Nissen: Was heißt das genau?

Julia Müller: Das heißt Nachhaltigkeitsziele Fortschritte offen und ehrlich kommunizieren. Und meine Empfehlung ist auch nicht nur positiv. Aspekte hervorzuheben, sondern durchaus mutig sein und auch die Herausforderungen aufzeigen, die jedes Unternehmen hat und eben darlegen, woran man aktuell arbeitet. Denn das gibt Verbraucherinnen ein meines Erachtens realistisches Bild und bildet eine sehr gute Basis für Vertrauen. Dann ist es wichtig zu quantifizieren. Das heißt, Unternehmen können ihre Nachhaltigkeitsaussagen mit Daten belegen und Nachhaltigkeitsdaten sollten Grundlage für Unternehmensentscheidungen sein, aber eben auch Verbraucherinnen darin befähigen, tatsächlich Nachhaltigkeit als ein Kaufkriterium bewusst zu wählen.

Simone Nissen: Ja, wie komme ich an diese Daten oder wie halte ich sie vor? Wie kann ich sie zum Verbraucher weitergeben?

Julia Müller: Also zuallererst braucht natürlich ein Unternehmen ein ein umfassendes, ich nenne es mal ESC Datenmanagementsystem. Das heißt Anforderungen zu Nachhaltigkeitsvorschriften müssten hier abgebildet werden und ein. Ein solches System ermöglicht konsistente transparente Erfassung Analyse Berichterstattung von von Nachhaltigkeit starten. Es gibt dann zum Beispiel die Möglichkeit, über eine Technologie wie Blockchain Transparenz über die Lieferkette zu schaffen. Also Informationen werden da dezentral gespeichert und sind dann nachträglich auch nicht veränderbar. Das bietet hohe Datensicherheit und Verlässlichkeit. Und Unternehmen können so Herkunft und Weg ihrer Produkte lückenlos dokumentieren und auch an Verbraucherinnen kommunizieren.

Simone Nissen: Gibt es noch weitere Tools, die dabei unterstützen?

Julia Müller: Ja, also dann gibt es Lifecycle Assessments oder Lebenszyklus Analyse Tools und diese ermöglichen es, den ökologischen Fußabdruck eines Produktes transparent zu kommunizieren. Mit ihnen lässt sich sozusagen der gesamte Lebenszyklus eines Produktes oder aber eben auch einer Dienstleistung bewerten, von der Rohstoffgewinnung über Produktion bis hin zur Entsorgung.

Simone Nissen: Diese Fragen betreffen die Frage, was kommuniziert wird. Was ist dabei zu beachten, wie Unternehmen kommunizieren?

Julia Müller: Zum Beispiel, dass man kontinuierlich kommuniziert, also nicht nur einmal im Jahr im Nachhaltigkeitsbericht, sondern zum Beispiel regelmäßig proaktiv über Nachhaltigkeitsinitiativen kommunizieren. Da kann man natürlich jedes Format der Social Media nutzen. Dann muss es konkret sein. Also Verbraucherinnen oder auch andere Stakeholder möchten eben konkrete Beweise für Nachhaltigkeitsbemühungen eines Unternehmens sehen, also spezifische Beispiele, messbare Daten. Dann kann man zum Beispiel auch Stakeholder einbinden, also gute Beispiele. Da haben Unternehmen Stakeholder aktiv in die Nachhaltigkeitsbemühungen mit eingebunden, zum Beispiel Umfragen, Feedbackschleifen oder dass man auch gemeinsam Projekte über Unternehmensgrenzen hinweg durchführt. Und das zeigt dann, dass in Unternehmen eben Meinungen und auch Bedürfnisse ernst nehmen, darauf reagieren und letztlich in Aktion treten. Und dann ist es meines Erachtens noch wichtig, dass man langfristige Ziele und Visionen kommuniziert, also nicht nur kurzfristige Erfolge. Denn das hilft, dass ein umfassendes Bild der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens vermittelt wird, aber eben auch das Engagement für eine kontinuierliche Verbesserung zeigt.

Simone Nissen: So hat es auch die Rolle von Social Media angesprochen. Kann es sein, dass dieses Misstrauen auch von Social Media geschürt wird?

Julia Müller: Also es ist mit Sicherheit so, dass Social Media eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Verstärkung von Greenwashing Vorwürfen spielen kann. Also eine Analyse zeigt zum Beispiel, dass in den Jahren von 2019 bis 2022 das Volumen der Diskussion über Greenwashing in Social Media sich jedes Jahr verdoppelt hat und Unstimmigkeiten oder oder irreführende Unternehmenskommunikation, aber eben auch Falschinformationen können eben über diese Medien mit einer Reichweite und Geschwindigkeit geteilt werden, die für Unternehmen überhaupt nicht bewältigbar sind. Zugleich, um vielleicht doch auch noch was Positives hervorzuheben, bieten natürlich soziale Netzwerke auch eine große Chance. Eine Chance der Nähe zu auch Verbraucherinnen, dass man in eine direkte Interaktion eintreten kann, collaborative Ansätze in der Nachhaltigkeitsentwicklung anstreben kann. Aber auch hier ist es meines Erachtens unabdingbar, dass man transparent, ehrlich und verständlich kommuniziert.

Simone Nissen: Ja, jetzt machen wir mal an Transparenz und Kommunikation ein Häkchen. Was sind die nächsten Schritte?

Julia Müller: Aus unserer Erfahrung ist es zum Beispiel hilfreich, CO2 Äquivalente zu benutzen oder Beispiele aus dem. Leben, dass man Relationen und Vergleichswerte hat. Das hilft in der Einordnung. Ich gebe mal ein Beispiel aus der Lebensmittelindustrie. Also jetzt mal ein Hersteller von Vegan Hafergetränken und dieser vergleicht auf seiner Verpackung den CO2 Fußabdruck einer klassischen Milchproduktion mit dem seiner Produkte. Und das schließt ein Landwirtschaft, Produktion, Verpackung und Transport. Und das ist eben sehr wichtig, denn es befasst sozusagen den gesamten Lebenszyklus und das ist zertifiziert über eine Lebenszyklus Analyse. Und diese Zertifizierungen oder Prüfungen von Nachhaltigkeitsversprechen können mitunter auch das Vertrauen von Verbrauchern stärken. Wenn eben Siegel und Institution ein entsprechendes Renommee haben.

Simone Nissen: Gibt es Fettnäpfchen, die in dem Bereich drohen?

Julia Müller: Also was auch nicht gut ist, wenn man zum Beispiel nur einen positiven Aspekt betont und damit andere negative Umweltauswirkungen zum Beispiel verschleiert? Also es gibt ja Produkte, die haben schon so ein Label wie aus recycelten Materialien hergestellt. Und wenn jetzt zum Beispiel Produktions und Transportemissionen einen höheren CO2 Fußabdruck haben bei diesem Produkt und das verschwiegen wird, dann verschleiert das sozusagen den Produktlebenszyklus und die Auswirkungen entlang des Produktlebenszyklus auf die Umwelt. Also hier Auch verborgene Kompromisse dürfen nicht verschleiert werden, indem man nur einzelne Aspekte eines Produktes hervorhebt.

Simone Nissen: Also sage ich sag mal, rein rechtlich darf ich auf alles grün draufschreiben. Oder? Auch damit erreichen sie die Klimaziele. Da würde ich nicht rechtlich belangt, aber die Verbraucher würden mir das um die Ohren hauen.

Julia Müller: Stand heute würden es nur die Verbraucherinnen in um die Ohren hauen. Tatsächlich ist es aber so, dass wir strengere Pflichten der Nachhaltigkeitsberichterstattung und auch im Hinblick auf der Kommunikation haben, also Verbraucher vor Greenwashing und irreführenden Umweltbehauptung zu schützen. Das ist mitunter ein zentrales Ziel der EU Strategie. Und hierbei geht es um die Förderung einer ökologisch als auch sozial verantwortungsvollen Wirtschaft. Und genau um das zu erreichen, wurden unter anderem zwei Richtlinien ich nenne sie mal die Green Claims Directive und Consumers for the Green Transition Directive entwickelt, um genau Verbraucherschutz zu verbessern.

Simone Nissen: Okay, also Vorschriften der EU sind schon da und die Mitgliedsstaaten müssen sie ab 2026 umsetzen. Wie bewertest du den Einfluss von solchen Regulierungen auf die Vermeidung von Greenwashing? Zum einen aber auch auf das Vertrauen der Menschen.

Julia Müller: Also ich unterstütze diese Regulierung, denn sie verpflichten und um es positiv zu formulieren, motivieren natürlich Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsangaben verlässlich, vergleichbar, begründet und nachprüfbar zu machen. Und in Summe ist das meines Erachtens eine sehr positive und äußerst wichtige Entwicklung. Und um vielleicht noch mal auf unsere Studie zurückzukommen Hier ist es auch so, dass 69 % der Führungskräfte die Erwartung stärkere Regulierung als entscheidenden Faktor für ihre Nachhaltigkeitsinitiativen ansehen. Somit zeigt sich, dass eben Regulierungen nicht nur Transparenz fördern, sondern mitunter auch Verantwortung oder auch Verantwortlichkeit der Unternehmen. Also mit solchen Vorschriften wird eine solide Grundlage für das Vertrauen der Verbraucherinnen geschaffen, dass man dann als Instrument eben gegen Greenwashing Vorwürfe nutzen kann. Das bedarf dann natürlich der Aufklärung der Verbraucherinnen. Und dafür ist es eben notwendig, dass man diese Validierung der Nachhaltigkeitsmaßnahmen vornimmt und und diese Richtlinien verpflichten im Unternehmen, die Verbraucherinnen genau so darüber zu informieren.

Einspieler: Und jetzt der Gedanke zum Mitnehmen.

Simone Nissen: Was möchtest du unseren Zuhörenden zum Ende dieses Podcasts noch mit auf den Weg geben?

Julia Müller: Also als Verbraucherinnen unterstütze ich eben mit jeder Entscheidung für ein nachhaltiges Produkt umweltfreundliche und sozial verantwortungsvolle Praktiken, die unsere Zukunft sichern. Und Unternehmen tragen die Verantwortung, ihren Kundinnen diese Entscheidung zu erleichtern mit nachhaltigem unternehmerischen Handeln. Transparenz durch Daten und klarer Nachhaltigkeitskommunikation.

Simone Nissen: Danke, liebe Julia und Euch, liebe Zuhörende. Danke für euer Interesse. Ich würde mich freuen, wenn ihr auch kommenden Mittwoch wieder rein hört. Wenn es heißt So klingt Wirtschaft.

Einspieler: So klingt Wirtschaft. Haben Sie Fragen, Kritik oder Anmerkungen? Dann schreiben Sie uns gerne an podcast@handelsblattgroup.com. Gefällt Ihnen, was Sie hören? Dann bewerten Sie uns gerne auf Spotify oder Apple Podcasts. Dieser Podcast ist kein Produkt der Handelsblatt-Redaktion. Für den Inhalt sind die Interviewpartner*innen und die Handelsblatt Media Group Solutions verantwortlich.

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