Transfer Learning: Endlich clevere KI im Call-Center?
Shownotes
Können KI-Modelle lernen, ohne ständig bei Null anzufangen? Unsere Gäste erklären, wie Transfer Learning Call-Center verbessert und KI-Assistenten wirklich smart macht.
Mehr zu So klingt Wirtschaft, dem wöchentlichen Business-Podcast der Solutions by Handelsblatt Media Group, unter: handelsblatt.com/adv/soklingtwirtschaft/
Dieser Podcast ist kein Produkt der Handelsblatt-Redaktion. Für den Inhalt sind die Interviewpartner*innen und die Handelsblatt Media Group Solutions verantwortlich.
Transkript anzeigen
Christof Legat: Callcenter, bestehend aus lauter Sommeliers. Auf der einen Seite wäre das nicht machbar aus einer finanziellen Perspektive und auf der anderen Seite auch nicht aufgrund des Fachkräftemangels. Genau diesem Fachkräftemangel begegne ich mit der Technologie.
Einspieler: So klingt Wirtschaft – Zukunftsthemen für Unternehmen. Jeden Mittwoch sprechen wir mit Entscheiderinnen über die Herausforderungen und Trends in ihrer Branche. Mit jeder Menge Insights und neuen Denkanstößen aus der Wirtschaft für die Wirtschaft.
Simone Nissen: Anstelle einer regulären Folge von So klingt Wirtschaft geben wir euch heute eine Kostprobe unseres neuen Podcasts Future Tech Trends. Denn wir glauben, dass das Thema der aktuellen Folge, Transfer Learning, auch für euch super spannend ist. Ihr erfahrt, was diese Technik für die Zukunft der künstlichen Intelligenz bedeutet und wie sich schon heute das Kundenerlebnis in Callcentern deutlich verbessern kann. Viel Spaß!
Einspieler: Future Tech Trends – Unsere KI erkennt die Tech-Trends von morgen, und die Solutions bei der Handelsblatt Media Group und Komsa ordnen diese für euch ein.
Simone Nissen: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Future Tech Trends. Auch diese Woche hat unsere künstliche Intelligenz Hype Singles wieder einen spannenden Tech-Trend für uns identifiziert. Hey KI, was ist unser heutiges Thema?
KI: Folgendes Thema habe ich für diese Folge gefunden: Transfer Learning.
Simone Nissen: Alles klar, Transfer Learning – eine Technik des maschinellen Lernens. Wer könnte das besser erklären als du selbst, liebe KI?
KI: Um es für euch Menschen ganz anschaulich zu machen: Stell dir vor, Simone, du möchtest Motorradfahren lernen. Obwohl es Unterschiede gibt, kannst du viele der Fähigkeiten, die du beim Fahrradfahren gelernt hast, auf das Motorradfahren übertragen – wie das Gleichgewicht halten und das Lenken. Meine Vorgängermodelle in den frühen Tagen des maschinellen Lernens mussten alles immer von Grund auf neu trainieren. Durch Transfer Learning kann ein neues Modell auf das Wissen anderer Modelle zurückgreifen und dieses auf eine neue, verwandte Aufgabe anwenden.
Simone Nissen: Was braucht es dafür technisch?
KI: Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Modell, das darauf trainiert wurde, Katzen auf Bildern zu erkennen, kann auch genutzt werden, um Hunde zu identifizieren. Dafür müssen lediglich die Komponenten herausgelöst werden, die katzenspezifisch sind, und Trainingsdaten zu Hunden hinzugefügt werden. Modelle müssen so nicht von Grund auf neu lernen, was ein Tier ist. Das macht uns euch Menschen ein kleines Stückchen ähnlicher und spart Rechenleistung. Clever, oder?
Simone Nissen: Wie clever das ist, darüber spreche ich mit meinen heutigen Gästen. Ich bin Simone Nissen und bei mir im Studio sind zum einen Roland Lunck, Spezialist für Cloud Contact Center und Partnerverantwortlicher der DACH-Region bei Five9, und Christof Legat, Experte für Unified Communication bei Komsa. Christof, wann ist Transfer Learning besonders nützlich?
Christof Legat: Wenn ich eine neue Aufgabe in einem kurzen Zeitraum implementieren möchte und dabei die KI genau mit diesen Informationen versorge. Das heißt, ich spare Zeit, habe eine kurze Rampphase und, ganz besonders, einen geringen CO₂-Fußabdruck.
Simone Nissen: Für alle, die jetzt nicht wissen, was eine Rampphase ist: Erklär das doch noch mal.
Christof Legat: Wenn wir eine neue Aufgabe oder ein neues Themenfeld erarbeiten oder erschließen, dann sind wir darauf angewiesen, dass wir einen kurzen Zyklus der Implementierungsphase haben. Und da unterstützt uns die KI – vor allem durch die Methodik des Transfer Learnings.
Simone Nissen: Lass uns mal ganz konkret werden. Roland, was ist ein typischer Anwendungsfall?
Roland Lunck: Na ja, stellen wir uns mal vor: Der typische Mitarbeiter in einem Callcenter bekommt einen Anruf. Nehmen wir einen Weinhandel als Beispiel, und der Kunde ruft an – nehmen wir mal Christoph als Beispiel. Der Kunde sagt: "Ich würde am Samstag gerne Lachs essen." Die künstliche Intelligenz, die jetzt nicht der Agent ist, hört das und sagt: "Okay, zu Lachs passt am besten ein Weißwein – Chardonnay, Grauburgunder oder Silvaner." Gleichzeitig prüft sie im Hintergrund: "Hat Christoph Legat schon mal bei uns bestellt?" Und stellt fest: Ja, normalerweise nimmt er einen Silvaner, und das würde sie dann auch vorschlagen. Wenn das alles besprochen ist und Christoph sagt: "Ja, hört sich gut an, aber ich hätte die Weinlieferung gerne schon am Donnerstag, nicht erst am Freitag," dann würde die KI die Übergabe an den Agenten machen – also an die menschliche Person, die dann sagt: "Herr Legat, Sie haben ja alles schon besprochen, und wir können es mit der Lieferung am Donnerstag hinkriegen." Das macht es für den Agenten leichter, der vielleicht nicht so der Experte für Weißwein ist.
Simone Nissen: Ja, man kann sich quasi ein Callcenter voller Sommeliers schaffen, ohne sie bezahlen zu müssen. Und wenn es dann sehr spezifisch wird, werde ich weitergeleitet.
Roland Lunck: Absolut, und man hat die Verfügbarkeit rund um die Uhr, 24/7. Christoph fällt vielleicht am Sonntag ein, dass er für den kommenden Samstag von seiner Frau den Auftrag bekommen hat, den passenden Wein zu besorgen. Da kann die KI helfen, weil der Sommelier vielleicht nicht da ist.
Simone Nissen: Jetzt ist natürlich ein Callcenter der allererste Kundenkontaktpunkt. Sorry KI, aber kann ich das guten Gewissens wirklich einer künstlichen Intelligenz überlassen?
Roland Lunck: Die muss trainiert werden. Aber die mannigfaltigen Informationen, die sie zur Verfügung gestellt bekommt – also die Kundendatenbank, die Information, welcher Wein passt, was wurde schon bestellt – all das kann die KI in Sekundenschnelle durchsuchen, was wir Menschen nicht so schnell finden würden.
Simone Nissen: Das heißt, wenn alles gut läuft, hat der Kunde sogar ein besseres Erlebnis, als wenn da jetzt nur Menschen sitzen würden?
Roland Lunck: Er fühlt sich gut aufgehoben. Und wie gesagt, rund um die Uhr – 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Wir Menschen wollen nicht solche Arbeitszeiten haben.
Christof Legat: Wenn Sie sich vorstellen, Sie haben ein Flugzeug, und das Flugzeug fliegt heute mit einem oder zwei Piloten. Dann sind da Menschen, die die Maschinen bedienen. Wenn wir KI reinbringen, ist es ungefähr so, als würden wir die Triebwerke austauschen und wesentlich leistungsstärkere Triebwerke einsetzen. Das heißt, wir kommen schneller voran und erreichen schneller das Ziel. Sie ersetzt aber nicht den Piloten, der weiterhin die Maschine steuert.
Simone Nissen: Wir haben euch beide jetzt hier als Gäste, weil eure Bereiche so ineinandergreifen. Was braucht es dafür?
Christof Legat: Im Grunde genommen brauchen wir drei Dinge: Erstens eine Software, die als "Datenkrake" agiert und die verschiedenen Applikationen im Unternehmen miteinander verknüpft. Zweitens einen Partner, der diese Software integriert. Drittens eine Datenquelle, also einen großen Fundus an Daten. So eine "Datenkrake" im Kontext der Software ist nicht ein standardisiertes Produkt. Das heißt, sie passt nicht immer auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden. Stellen Sie sich vor, Sie kaufen sich einen Anzug von der Stange – der passt schon irgendwie, aber nicht perfekt. Wir – also Five9 – bieten einen Anzug als standardisiertes Produkt an und passen ihn dann individuell an die Kundenbedürfnisse an. Das bedeutet, wir kürzen, teilen und schneidern ihn auf Maß. Wie du vorhin ganz passend angesprochen hast: Ein Callcenter, bestehend aus lauter Sommeliers, wäre nicht machbar – weder finanziell noch aufgrund des Fachkräftemangels. Genau diesen Mangel bekämpfen wir mit Technologie.
Simone Nissen: Und wenn man jetzt aber eine künstliche Intelligenz von Grund auf neu entwickeln müsste, wäre das ebenfalls nicht machbar, weil es einfach zu lange dauern und viel zu teuer wäre, richtig?
Christof Legat: Genau so ist es. Und hier hilft Transfer Learning, weil es genau diese beiden Aspekte zusammenbringt. Das heißt, ich habe eine große Datenquelle – stell dir vor, es gibt ein Bild von Google, das einen großen Datenfundus zeigt. Dieser Fundus ist jedoch nicht branchenspezifisch auf die jeweiligen Bedürfnisse des Unternehmens angepasst. Transfer Learning hilft genau hier, diese Brücke zu schlagen.
Simone Nissen: Roland, wie kommt ihr an diese Basismodelle?
Roland Lunck: Auf der einen Seite haben wir natürlich eine Grundstruktur. In den meisten Fällen ist es so, dass ein Kunde entweder selbst viele Dokumente hat, die wir dann einfach digitalisieren, weil die KI extrem schnell durch die Dokumente jagen kann. Man darf eine Sache nicht vergessen: Wir reden immer davon, wie wir jetzt vom typischen Telefonanruf abweichen, aber die nächste Generation, die wir alle kennen – so 21, 22 Jahre alt – kommuniziert nicht mehr primär telefonisch. Die Kommunikation mit einem Call- und Servicecenter erfolgt heute über mehrere Kanäle – man sagt neudeutsch "Omnichannel". Es ist egal, ob per WhatsApp, Facebook oder was auch immer. Die Reaktion muss darauf abgestimmt sein, und auch diese Kanäle müssen bedient werden. Hier hilft die KI, indem sie die Kommunikation analysiert und klärt, was der Kunde per WhatsApp wirklich gemeint hat, wenn der menschliche Agent es nicht sofort versteht. Die KI lernt mit der Zeit dazu, aber das bedeutet nicht, dass sie den Menschen ersetzt.
Simone Nissen: Und wie sieht es mit der Integration aus? Nutzt ihr bereits bestehende Systeme?
Roland Lunck: Wir arbeiten mit verschiedenen Partnern zusammen, wie zum Beispiel Google und Microsoft, die uns ihre Systeme anbieten. Wir erfinden das Rad nicht neu, aber was wir machen, ist die Integration dieser bestehenden Technologien in unsere Lösungen für Contact Center. Besonders in Deutschland gibt es viele spezielle Softwarelösungen, die man vielleicht in den USA nicht kennt. Mein Lieblingsthema ist immer "PC Kaufmann", ein Tool, das hierzulande oft genutzt wird. Es ist nicht weltberühmt, aber es wird integriert und verwendet.
Simone Nissen: Wenn man nun diese Basismodelle feintunen muss, wie lange dauert das?
Roland Lunck: Der erste Schritt dauert etwa sechs Monate. Das ist das Minimum. Natürlich können wir in einigen Fällen schneller implementieren – wir können innerhalb von fünf Tagen starten. Aber realistisch gesehen sollte man von etwa sechs Monaten ausgehen. Dann wird nach jeweils drei Monaten überprüft, ob Anpassungen nötig sind, zum Beispiel, wenn ein Kunde vom gewünschten Wein abweicht. In der Trainingsphase sind wir sehr stringent und beobachten die KI genau. Wie bei ChatGPT merkt man, dass es darauf ankommt, die richtigen Fragen zu stellen.
Simone Nissen: Lass uns mal ein bisschen in die Zukunft blicken. Was wären so mögliche Szenarien in zehn Jahren?
Christof Legat: Ich könnte jetzt provokant sagen, dass wir in Zukunft keine Agenten mehr brauchen, weil alles von der KI übernommen wird.
Simone Nissen: (lacht) Okay, Roland, was sagst du dazu?
Roland Lunck: Natürlich hat Christoph recht, dass er provokant ist, aber die Kommunikation von Mensch zu Mensch bleibt extrem wichtig. Die KI soll eine Hilfestellung bieten, damit der Agent nicht ständig mit frustrierten Kunden zu tun hat. Wenn die KI rational bleibt, kann auch der Mensch wieder rationaler reagieren. Am Ende übernimmt der Agent und stellt fest, dass der Kunde vielleicht doch mit dem Weißwein zufrieden ist.
Simone Nissen: Lassen wir die KI auch noch mal zu Wort kommen. Was meinst du, KI, wie könnte ein Zukunftsszenario aussehen?
KI: Jeder von euch Menschen könnte einen persönlichen KI-Assistenten haben, der durch Transfer Learning trainiert wurde und mit den virtuellen Assistenten eines Callcenters kommunizieren kann. Dein Assistent übernimmt den Beginn des Kontakts, klärt grundlegende Anliegen und sammelt wichtige Details, bevor du dich selbst einschalten musst.
Simone Nissen: Wunderbar, danke euch beiden. Und euch, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, danke fürs Einschalten. Es wäre toll, wenn ihr auch kommende Woche wieder reinhört bei Future Tech Trends.
Christof Legat: Danke dir, Simone, und danke an alle Zuhörerinnen und Zuhörer.
Roland Lunck: Danke, dass ich hier sein durfte.
Einspieler: Future Tech Trends – Der gemeinsame Podcast von Komsa und den Solutions bei der Handelsblatt Media Group. Jetzt abonnieren und keine Folge mehr verpassen. Dieser Podcast ist kein Produkt der Handelsblatt-Redaktion. Für den Inhalt sind die Interviewpartner*innen und die Handelsblatt Media Group Solutions verantwortlich.
Neuer Kommentar