Kapitalbeschaffung - Was bringen Crowdinvesting & außerbörslicher Handel?
Shownotes
Wie lässt sich ohne Banken und große Investoren Kapital in Millionenhöhe einsammeln? Die Antwort gibt uns Christian Theisen von Roatel. Sein Unternehmen setzt auf Crowdinvesting und außerbörslichen Aktienhandel.
Hier gibt es mehr Informationen von Roatel: invest.roatel.com
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Einspieler: "So klingt Wirtschaft. Zukunftsthemen für Unternehmen. Jeden Mittwoch sprechen wir mit Entscheiderinnen über die Herausforderungen und Trends in ihrer Branche. Mit jeder Menge Insights und neuen Denkanstößen aus der Wirtschaft für die Wirtschaft."
Simone Nissen: "Stellt euch Folgendes vor, liebe Zuhörende: Euer Unternehmen braucht frisches Kapital oder ihr möchtet etwas Neues gründen. Doch leider verweigert die Bank das nötige Geld und ein Gang an die Börse ist jetzt auch nicht in Sicht. Aufgeben? Bloß nicht, denn es gibt auch andere Wege, an Kapital zu kommen. Ein Crowdinvesting beispielsweise ist nicht nur etwas für Startups, und auch aus einer Aktienplatzierung im außerbörslichen Handel ergeben sich spannende Möglichkeiten für Unternehmen."
Einspieler: "Nachgehakt."
Simone Nissen: "Wie innovative Kapitalbeschaffung funktioniert und welche Herausforderungen sie mit sich bringt, verrät uns Christian Theisen. Er ist Vorstand und Gründer von Rotel und sein Unternehmen befindet sich gerade in genau so einer Kapitalbeschaffungsphase. Hallo Christian."
Christian Theisen: "Ja, das kennen viele Gründer. Am Anfang muss man eigentlich immer mit Eigenkapital einsteigen. Und wenn das dann ausgegeben ist, muss man sich erst mal den nächsten Business Angel oder Angel Investor suchen. Dann vielleicht noch mal 20.000 bis 50.000 Euro investieren, wenn die Geschäftsidee so weit gekommen ist. Und ja, danach sucht man den zweiten und dann den dritten Business Angel. Eine Bank sucht man da erst mal vergebens. Normalerweise."
Simone Nissen: "Ihr seid jetzt mit einer Geschäftsidee an den Start gegangen, die es so vorher nicht gab. Und ihr habt euch auch noch in ein Geschäftsfeld begeben, von dem ihr keine Ahnung hattet. Man würde also von einer disruptiven Idee sprechen. Was genau macht ihr? Wofür braucht ihr gerade Kapital? Und wie wirkt sich die Tatsache, dass es eine disruptive Idee ist, auf die Kapitalbeschaffung aus?"
Christian Theisen: "Der Trigger kam eigentlich von der EU, die ein neues Gesetz in Arbeit hatte. Das war so 2018/2019, dass die Lkw-Fahrer geschützt werden sollen. Das hieß, dass die Lkw-Fahrer aus ihren Kabinen geholt werden müssen für bestimmte Ruhezeiten, damit sie ausgeruhter sind und der Straßenverkehr entsprechend sicherer ist. Die normalen, konventionellen Hotelanbieter hat das nicht interessiert, und das war im Grunde unsere Stunde, um in einen neuen Markt mit einem neuen Produkt einzusteigen."
Simone Nissen: "Das heißt, ihr habt eine Lücke erkannt und hattet eine coole Idee dafür. Wie ging es dann weiter?"
Christian Theisen: "Ja, es gibt schlechte Möglichkeiten, an Autobahnen Hotels zu bauen. Oder man muss Hotels bauen, die eine bestimmte Mindestgröße haben, damit es sich lohnt. Das wollten wir aber nicht. Wir wollten kleine Einheiten bauen. Deswegen haben wir uns überlegt, einen 45-Fuß-Überseecontainer in ein Mikrohotel umzubauen. Mit dieser Idee sind wir losgegangen, haben Prototypen gebaut, alles selbst finanziert und jemanden in Niedersachsen gefunden, der das für uns baut. Jetzt bauen wir diese Hotels und stellen sie an Autobahnen und auch in Autobahnnähe auf. Die Nachfrage ist sehr hoch, weil es in den USA ein ähnliches Konzept gibt, diese Motels, die man überall findet. Das gibt es hier in Europa nicht, und da stoßen wir in eine Nische, die anscheinend bisher keiner bedient hat."
Simone Nissen: "Und haben die Banken das auch so gesehen?"
Christian Theisen: "Ja, die Banken haben uns natürlich von Anfang an gesagt, dass es ein tolles Konzept ist. 'Macht es doch erst mal mit eurem Eigenkapital, wenn ihr davon überzeugt seid.' Das haben wir dann auch gemacht. Dann sind wir noch mal hingegangen und haben gesagt: 'So, wir haben jetzt den Prototyp gebaut, jetzt brauchen wir eigentlich Geld, um weiterzumachen.' Dann hieß es: 'Ja, macht doch erst mal die ersten Standorte, weil wir wissen nicht, ob das mit dem Gesetz und den Reinigungen der Zimmer alles so klappt.' Dann haben wir das auch gemacht, noch mal investiert. So ging das immer weiter. Wir haben tatsächlich eine gute Hausbank, die uns auch relativ früh unterstützt hat. Es war die Stadtsparkasse Wuppertal, die ist am Anfang mit ins Risiko gegangen, aber auch die sind dann irgendwann an ihre Grenzen gekommen. Das ist auch nachvollziehbar. 2022 haben wir dann mit dem Crowdinvesting angefangen."
Simone Nissen: "Wie kam es dazu?"
Christian Theisen: "Wir hatten überlegt, wie wir Kleinanleger für unsere Idee gewinnen können. Wir haben gemerkt, dass wir sehr viel positives Feedback von unseren Kunden bekommen haben. Die haben gesagt: 'Das ist eine super Idee, würden wir auch gerne machen. Kann man das so kaufen? Ich würde es auch gerne betreiben.' Dann haben wir uns überlegt, okay, dann beteiligen wir sie doch an unserem Geschäftsmodell und haben gleichzeitig auch eine Art Multiplikatorenwirkung. Jeder Anleger ist natürlich ein Multiplikator, der über die Geschäftsidee spricht. Das ist ein Effekt, den man nicht kleinreden sollte. Er ist wirklich sehr positiv für unser Geschäftsmodell."
Simone Nissen: "Das heißt, Crowdinvesting ist im Prinzip auch eine Marketingmaßnahme?"
Christian Theisen: "Genau, so muss man das sehen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder man gibt eine Anleihe aus – das haben wir am Anfang 2022/23 gemacht, die wird dann verzinst und der Anleger hat dann nur Zinseinnahmen jedes Jahr – oder man macht es über Aktien, so wie wir es jetzt gerade machen. Dann ist das kein Fremdkapital mehr für das Unternehmen, sondern Eigenkapital. Das Risiko für den Anleger ist eigentlich das Gleiche. Der Unterschied ist, dass er bei der Anleihe Zinsen bekommt, aber darüber hinaus nichts. Bei der Aktie hat er die Möglichkeit, später bei einem Exit oder einer Dividendenauszahlung zu profitieren."
Simone Nissen: "Wenn jetzt einer der Zuhörenden denkt, das möchte ich auch machen, was muss man dafür tun? Was sind die ersten Schritte?"
Christian Theisen: "Es gibt spezielle Plattformen, die man dazu nutzen muss. Als Unternehmen kann man nicht einfach Anleihen oder Aktien verkaufen. Man wendet sich an eine dieser Plattformen. Bei uns war es 2022/23 Seedmatch, die wir jetzt auch für den Aktienverkauf wieder genutzt haben. Man muss bestimmte Dinge nachweisen, es gibt ein Check-up der Bilanz usw. Diese Zahlen müssen natürlich alle stimmen, das Geschäftsmodell muss nachhaltig sein, die rechtlichen Voraussetzungen müssen alle gegeben sein. Man muss seine Hausaufgaben machen. Für ein ganz frisches Startup ist es sicherlich ein bisschen zu früh. Das war bei uns nicht der Fall. Wir hatten ja schon Geschäftsbetrieb. Im Falle der Aktien sind die Hürden noch etwas höher. Das läuft über die BaFin, die das natürlich auch genehmigen muss. Wenn alles stimmt, gibt es sozusagen einen Verkaufsstart der Anleihe oder, wie gesagt, der Aktien. Dann können die Kleinanleger in Anführungszeichen zeichnen. Als Privatperson darf man bis maximal 25.000 Euro anlegen. Darüber hinaus ist das nicht mehr möglich, es sei denn, man ist gewerblicher Kunde. Das hat den Hintergrund, dass die Anleger sich nicht zu sehr in ein Investment stürzen sollen. Das ist auch gut so. Bei unserer Anleihe hatten wir im Schnitt Anleger, die um die 2.000 Euro angelegt haben. Das ist, glaube ich, für jemanden, der sagt, das ist eine gute Geschäftsidee, ein überschaubarer Betrag und hilft uns natürlich sehr weiter."
Simone Nissen: "Das hört sich für mich jetzt ein bisschen an wie 'Börsengang light'. Kann man das so verstehen?"
Christian Theisen: "Genau. Das ist ein bisschen unsere Idee, dass wir Aktionäre zu einem Zeitpunkt mitnehmen, die natürlich vielleicht ein höheres Risiko mit uns eingehen, aber die Idee gut finden. Bei einem sogenannten IPO, der sich dann an die breite Öffentlichkeit über einen Börsenplatz richtet, sind die Anforderungen höher. Das haben wir jetzt noch nicht. Deswegen ist der außerbörsliche Handel eine sehr smarte Lösung für Unternehmen, die noch nicht die entsprechende Größe haben, aber vielleicht schon Aktionäre gewinnen wollen. Selbst wenn man einen IPO machen wollte, wird man dann gefragt: 'Habt ihr denn schon eine entsprechende Basis an Investoren?' Die muss man sich vorher aufbauen. Insofern ist der außerbörsliche Handel eigentlich ein guter Schritt, wenn man das vorhat."
Simone Nissen: "Du hast ja auch Erfahrungen mit einem Börsengang aus früheren Projekten. Wie schwierig ist das?"
Christian Theisen: "Ja, also wir haben selbst keinen Börsengang gemacht, aber wir sind im Zuge eines Börsengangs damals gekauft worden. Das war die Firma Fries, ein Postkonsolidierungsunternehmen, und das war ein Prozess, der fast ein Jahr gedauert hat. Da waren wir in alle Prozesse weitgehend involviert, aber fast ein Jahr lang nur mit Anwälten und Bankern am Tisch gesessen. Da werden dann alle Geschäftsunterlagen testiert und überprüft. Das ist natürlich wichtig. Dann gibt es auch eine ganz andere Vertriebsphase vorher, um die Aktien zu verkaufen. Das heißt, es werden größere Pakete im Grunde schon an institutionelle Anleger vorab verkauft. Das haben wir damals begleitet. Mit Roatel hatten wir schon die Idee, so etwas auch noch mal zu machen, weil wir ein geschäftsmodell haben, das sehr anlagenlastig ist. Diese ganzen Einheiten, die wir bauen, sind recht teuer, und wir verkaufen die Container nicht, sondern behalten sie im Bestand und vermieten sie nur. Das heißt, wir haben einen sehr hohen Kapitalbedarf, den man, wenn man sich nicht an Banken wenden möchte, über einen IPO sehr gut abdecken kann."
Simone Nissen: "Und wenn man jetzt über Crowdfunding oder den außerbörslichen Handel versucht, an Kapital zu kommen, wie sind denn da die Größenordnungen? Also, bekomme ich da 10.000 Euro zusammen? 5 Millionen? 10 Millionen?"
Christian Theisen: "Also, das kommt darauf an, wie weit das Geschäftsmodell schon gediehen ist. In unserem Fall haben wir jetzt den Antrag gestellt, dass wir 5 Millionen Euro einsammeln wollen. Dafür haben wir aber auch ein Jahr Zeit. Man gibt eine Frist ein, und wir versuchen jetzt im ersten Schritt, 1 bis 2 Millionen Euro einzusammeln. Wir haben, wie gesagt, noch ein bisschen Zeit, diese 5 Millionen auch zu erreichen. Wir müssen die 5 Millionen nicht unbedingt erreichen, aber man kann auch kleinere Runden machen, gerade bei Anleihen, die vielleicht nur 250.000 Euro oder 150.000 Euro umfassen. Das hatten wir bei der Anleihe auch. Da haben wir dann 800.000 Euro eingesammelt. Das kommt immer darauf an, wie weit man beim Geschäftsmodell ist. Wir haben jetzt schon 26 Rotels in Betrieb, haben natürlich hohe laufende Umsätze, einen relativ fest geplanten Rollout und Gespräche im Ausland. Da ist der Finanzbedarf natürlich ein bisschen anders als bei einem Unternehmen, das gerade ein Jahr mit seinem Geschäftsmodell unterwegs ist."
Simone Nissen: "Welche Strategien habt ihr genutzt, um euer Produkt für Investoren schmackhaft zu machen?"
Christian Theisen: "Ein richtiges Marketingkonzept ist natürlich wichtig. Wir hatten schon Erfahrungen mit der Anleihe. Man bekommt von der Plattform, die diese Anleihe verkauft oder die Aktien platziert, natürlich auch Unterstützung, was das betrifft. Aber man muss sich schon Gedanken machen, wie man ein gutes Marketingkonzept dafür aufbaut. Das Produkt muss stimmen, die Pläne müssen stimmen, die Zahlen müssen stimmen. Das ist das Wichtigste, weil jeder Investor darauf schauen wird. Wir haben versucht, uns über Social Media bekannt zu machen, eigentlich eher das Produkt selbst zu bewerben, weil das für sich spricht und nicht unbedingt den Verkauf als solchen anzupreisen. Wir haben viele Tausend Gäste im Jahr, die unser Produkt weiterempfehlen können. Das ist vielleicht die beste Idee."
Simone Nissen: "Birgt dieser Weg dann auch Risiken für Unternehmen?"
Christian Theisen: "Risiken? Ich würde es nicht als Risiko sehen, aber man bindet sich natürlich an bestimmte Strukturen, da man jetzt verschiedene Richtlinien noch mehr einhalten muss. Man muss transparenter sein, man hat Fristen, die man einhalten muss, wie die Veröffentlichung von Zahlen. Das kann man als Risiko sehen oder als lästiges Beiwerk. Wir haben es eigentlich eher als Herausforderung gesehen, unsere Prozesse so zu optimieren und auch für unsere Altgesellschafter transparenter zu werden. In so einem Wachstumsprozess, wie ihn Startups haben, geht das oft unter, weil das tägliche Geschäft Vorrang hat. Aber das hat dazu geführt, dass wir besser und transparenter geworden sind. Wir haben letztes Jahr ein neues Modell aufgesetzt, das dazu geführt hat, dass wir alle Prozesse noch mal neu aufgeschrieben und teilweise Software umprogrammiert haben. Diese Schritte sind herausfordernd, aber sie bringen das Unternehmen weiter."
Einspieler: "Und jetzt der Gedanke zum Mitnehmen."
Simone Nissen: "Was möchtest du unseren Zuhörenden zum Ende dieses Podcasts noch mit auf den Weg geben?"
Christian Theisen: "Auf jeden Fall alle Möglichkeiten anschauen, sich informieren, sich nicht von den Auflagen einschüchtern lassen und gerne auch mal bei uns nachhören. Wir geben gerne Tipps. Schreiben Sie uns ruhig mit Bezug auf den Podcast hier, wir antworten gerne darauf. Die Erfahrungen, die wir in den letzten ein, zwei Jahren gemacht haben, sind relativ groß, und wir helfen gerne auch anderen mit Rat und Tat."
Simone Nissen: "Danke, lieber Christian, und danke an alle Zuhörenden. Ich würde mich freuen, wenn Sie auch kommenden Mittwoch wieder reinhören, wenn es heißt: 'So klingt Wirtschaft'."
Einspieler: "So klingt Wirtschaft. Haben Sie Fragen, Kritik oder Anmerkungen? Dann schreiben Sie uns gerne an podcast@handelsblattgroup.com. Gefällt Ihnen, was Sie hören? Dann bewerten Sie uns gerne auf Spotify oder Apple Podcasts." _Dieser Podcast ist kein Produkt der Handelsblatt-Redaktion. Für den Inhalt sind die Interviewpartner*innen und die Handelsblatt Media Group Solutions verantwortlich._
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